10. August 2017 Daniel Kruse

Die chinesische Provinz Heilongjiang investiert massiv in Forschung und Entwicklung, um feine, umweltfreundliche Hanffasern zur großvolumigen Baumwollalternative zu machen. Zusätzlich werden Hanflebensmittel und Pharmazeutika gewonnen. Westliche Unternehmen sind eingeladen, am Hanfboom Teil zu haben.
Auch wenn die Kulturgeschichte der industriellen Hanfnutzung mit den weltweit ersten Seilen (2800 Jahre v. Chr.) sowie dem ersten Papier und Textil (500 bis 100 v. Chr.) in China begann, war Hanf in den letzten hundert Jahren ins Abseits geraten. Aber das ist nun Geschichte. Auf der Suche nach Alternativen zur Baumwolle geriet der Hanf in Visier der chinesischen Wissenschaft, Politik und Industrie. Baumwolle verursacht durch ihren hohen Wasserbedarf, Versalzung der Böden und Pestizideinsatz zunehmend Umweltprobleme. Qualität und Preis der chinesischen Baumwollproduktion sind wenig konkurrenzfähig. Vor kurzem noch undenkbar: Im letzten Jahr hat China 3 Mio. t Baumwolle aus den USA importiert.
Die chinesische Provinz Heilongjiang hat angesichts dieser Situation die Entscheidung getroffen, die gesamte Wertschöpfungskette der Hanfproduktion zu erneuern und großvolumig industriell umzusetzen. In nur wenigen Jahren konnte so die Hanfanbaufläche allein in der Provinz Heilongjiang von unter 1.000 ha auf 30.000 ha in diesem Jahr ausgebaut werden. Das entspricht immerhin der gesamten Hanfanbaufläche in Kanada oder Europa. Wenn alles gut läuft, sollen es im nächsten Jahr schon 60.000 ha werden.
Am 3. und 4. August 2017 fand in Harbin, Hauptstadt der Provinz Heilongjiang (Mandschurei, im Nordosten der Volksrepublik China) die „2017 International Conference On Hemp Industry“ (www.hempalliance.org) statt. Mit 300 Teilnehmern aus China, Australien, Europa und Kanada eine der größten Konferenzen zum Thema Hanf überhaupt. Gesponsert wurde die Konferenz von der lokalen Provinzregierung sowie dem nationalen Textil- und Bekleidungs-Council. Stolz präsentierten Wissenschaft und Industrie ihre Erfolge den Experten aus aller Welt in Vorträgen und einer begleitenden Ausstellung.
Vertreter der chinesischen Hanfindustrie hatten zur Konferenz Hanfverbände aus Europa, Kanada und Australien eingeladen, um weltweite Netzwerke aufzubauen und Synergieeffekte zwischen den Kontinenten zu erzielen. Hierbei ging es vor allem um den Austausch von Technologien, Produkten und Marketingstrategien.
Textilindustrie
In einem großen Forschungsprogramm an Universitäten in der Provinz Heilongjiang wurden in Zusammenarbeit mit der Ukraine und Kanada neue, ertragreiche Hanfsorten entwickelt, Koppelerntemaschinen für Stängel und Samen optimiert sowie biotechnologische Verfahren eingeführt, um umweltfreundlich mit Hilfe von Enzymen feine Hanffasern zu produzieren. Man spricht hier von enzymatischer Kotonisierung der Hanffasern, die dann pur oder mit anderen Fasern gemischt auf Baumwollmaschinen verarbeitet werden können.
Hanf weist beim Anbau erhebliche Umweltvorteile gegenüber Baumwolle auf: Er wächst gut in moderatem Klima, etwa in Nordostchina, wo keine künstliche Bewässerung notwendig ist. Hanf braucht wenig Pflege, keine oder nur sehr wenige Pestizide, eignet sich hervorragend als Rotationskultur und hat verglichen mit Baumwolle doppelte Fasererträge.
Dr. Liu, Generalsekretär der „China Industry Technology Innovation Strategic Alliance of High-value Special Biological Resources“, sieht mit Hanf die Möglichkeit die gesamte Textilkette umweltfreundlicher zu gestalten. Hanf nimmt pro Hektar die doppelte Menge an CO2 auf als Baumwolle, hat insgesamt einen sehr geringen CO2-Fußabdruck, und liefert neben den Fasern noch hochwertige Fettsäuren und Proteine für den Lebensmittelbereich sowie Pharmazeutika. Dr. Liu sagte, dass Hanf für China eine „strategische Ressource“ werden könne.
Bei Hanftextilien geht es nicht um billige Massenware, sondern um Qualitätstextilien mit besonderen Eigenschaften. Und genau das macht Hanf so attraktiv für die chinesische Textilindustrie, die unter starkem Druck durch Niedriglohnländer steht. Beim Hanf gibt es wenig Konkurrenz. Wissenschaftler zeigten die Vorteile der Hanffasern: Komplexe dreidimensionale Faserstruktur, sehr gute Feuchteaufnahme, schnelles Trocknen, antibakterielle Wirkung und guter UV-Schutz.
Auf der Konferenz wurden sehr feine Hanfstoffe gezeigt, die es in dieser Qualität noch nie gab. Anzüge, Jacken, Kleider, Hosen, Unterwäsche, Socken und eine große Auswahl an Handtüchern, die alle bereits von Unternehmen der chinesischen „Hemp Allianz“ am Markt eingeführt wurden. Erster Großabnehmer ist die Armee, die ihre Soldaten mit Hanfuniformen und -socken versorgt.
Gezeigt wurde auch Hanf-Viskose, die in Mischungen mit Baumwolle in Feucht- und Kosmetiktüchern zum Einsatz kommt.
Autoindustrie
Etwas gröbere, nicht-kotonisierte Hanffasern gehen in die Autoindustrie zur Verstärkung von Innenraumteilen. Wie schon in Europa und USA seit Jahren üblich, werden nun auch in China vor allem Hanffasern in Verbundwerkstoffen für Türinnen- und Säulenverkleidungen sowie Armaturenbretter und Hutablagen verwendet. Eine umweltfreundliche Leichtbau-Alternative zu reinen Kunststoffteilen bzw. Glasfasern.
Lebensmittel und Pharmazeutika
Bei der Hanfproduktion können in Koppelproduktion zusammen mit den Fasern zusätzlich wertvolle Hanfsamen (botanisch Nüsse) mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Omega-3, GLA und SDA) und hochwertigen Proteinen gewonnen werden. Aus den Blüten und Blättern werden die Pharmazeutika Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) extrahiert. Schon vier chinesische Unternehmen stellen reines CBD her, weitere stehen in den Startlöchern.
Gerade für die Produktion und die Vermarktung von ökologischen Hanflebensmitteln suchen die Chinesen Kooperationspartner aus Europa und Nordamerika und bieten diesen eine optimale Infrastruktur und Investitionsbeihilfen.
Wissenschaft, Politik, Landwirtschaft und Industrie in der Heilongjiang-Region meinen es ernst mit dem Hanf. Und sie haben die Ressourcen, um eine moderne Hanfindustrie im großen Maßstab aus dem Boden zu stampfen. Nun muss sich zeigen, ob der Hanf tatsächlich das große Potenzial besitzt, das ihm oft zugesprochen wird und ob man eine Forschungs- und Technologielücke von 50 Jahren mit modernen Methoden rasch überwinden kann.
Michael Carus (michael.carus@nova-institut.de) wurde als Geschäftsführer der „European Industrial Hemp Association“ (www.eiha.org) zu der Konferenz nach Harbin als Referent eingeladen. Carus ist zudem Geschäftsführer des nova-Instituts (www.nova-institute.eu), das seit über 20 Jahren im Bereich Nachwachsende Rohstoffe forscht.
Bilder zu Pressezwecken freigegeben. Copyright: Michael Carus
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